Der Markt für Non-Fungible Token oder NFTs ist im letzten Jahr zu einem 40 Milliarden US-Dollar-Markt angewachsen. Der Marktführer OpenSea hat als dominierender Handelsplatz allein in 2021 300 Millionen US-Dollar in Gebühren eingenommen. In der letzten Woche hat sich mit Looksrare nun ein Konkurrent auf den Markt begeben, der die Marktführerschaft von OpenSea in ganz besonderer Weise angreift und sich dabei alle Eigenheiten des blockchain-powered Web3 zunutze macht. Ein perfektes Beispiel, um NFTs, Web3 und ihr disruptives Potenzial genauer zu beleuchten.
Was sind NFTs?
NFTs und Web3 basieren auf der Blockchain-Technologie. Die Blockchain-Technologie ermöglicht es, einzigartige Codeschnipsel (Token) zu erstellen, in einer verteilten, öffentlichen Datenbank zu verwalten und ohne Mittelsmänner zwischen Nutzern zu übertragen. Die Übertragung und Zuordnung in der Datenbank erfolgt dabei mit Hilfe asymmetrischer Verschlüsselung. Der öffentliche Schlüssel des Schlüsselpaars dient als Adresse, ähnlich einer Kontonummer, auf der die Token gelagert werden, und der private Schlüssel dient zur Verifizierung der Verfügungsmacht, ähnlich einer PIN. Die Schlüssel werden regelmäßig über Software oder Browser-Plugins in sogenannten „Wallets“ verwaltet.
Die konkreten Eigenschaften von Token unterscheiden sich je nach Anwendungsfall. Grundsätzlich lassen sich Token in zwei Überkategorien einteilen. Token können, wie zum Beispiel der Bitcoin, vertretbar sein. Dabei bleibt zwar jeder Bitcoin-Token einzigartig, der Wert des Tokens geht hier aber nicht auf die Einzigartigkeit des Tokens, sondern auf die Handelbarkeit der gesamten Anlageklasse zurück. Vertretbare Token werden dabei wegen ihrer Ähnlichkeit zu Geld oft als „Coins“ bezeichnet. Neben vertretbaren Token gibt es auch nicht vertretbare Token, sie beziehen ihren Wert gerade aus ihrer Einzigartigkeit. Diese Token werden folglich als „non-fungible token“ (NFT), also nicht vertretbare Token, bezeichnet. NFTs können theoretisch jeden Wert der physischen oder digitalen Welt repräsentieren und mit weiteren Funktionen programmiert werden. Derzeit werden NFTs vor allem zum Handeln von „Eigentumspositionen“ an digitalen Gütern genutzt. Diese Token enthalten neben z.B. dem Recht am digitalen Kunstwerk auch oft weitere Rechte, wie z.B. den Zugang zu exklusiven Events oder Internet-Communities.
Was ist Web3?
Die Möglichkeit, digitale Güter ohne Mittelsmann zu handeln und zu besitzen, erschließt ein bisher kaum greifbares Potenzial für die Verwaltung unserer digitalen Infrastruktur. Zahlreiche Vordenker und Investoren sprechen deshalb regelmäßig von der Evolution des Web2.0 zum Web3. Während User im plattformzentrierten Web2.0 die Möglichkeit hatten, Content zu konsumieren („read“) und zu produzieren („write“), eröffnet die Blockchain-Technologie die Möglichkeit, den produzierten Content auch zu besitzen („own“) und ganz unabhängig von den großen Plattformen zu monetisieren.
Im Detail bedeutet dies, dass die Daten dem vom Nutzer kontrollierten Wallet zugeordnet sind und nicht einer Plattform. NFTs, die Nutzer über OpenSea erwerben, werden nicht in einer geschlossenen Datenbank der Plattform aufbewahrt, sondern auf dem vom Nutzer kontrollierten Wallet. Nach dem Kauf und der automatischen Übertragung ins eigene Wallet kann der Nutzer frei über das NFT verfügen, es ohne Zutun der Plattform übertragen oder eine andere Handelsplattform für den Weiterverkauf nutzen.
Wer ist OpenSea?
Die Plattform OpenSea ist dabei anders als die herkömmlichen Plattformen des Web2.0 nur ein vermittelnder Intermediär und hat zu keiner Zeit volle Kontrolle über die digitalen Güter der Nutzer. Die Plattform bietet NFT-Besitzern die Möglichkeit, ihre Kunst einem breiten Publikum zum Kauf anzubieten. Sofern der Wunschpreis erzielt oder die Auktion beendet ist, wird der Verkaufsvorgang über die Smart Contracts der Plattform abgewickelt. OpenSea ist somit ein Schaufenster für digitale Güter mit angebundener Handelsinfrastruktur. Für das Schaufenster und die Nutzung der Handelsinfrastruktur zahlen Nutzer je abgewickeltem Verkauf eine Gebühr von 2,5% an die Plattform. Bei einem Verkauf von einem gefragten NFT wie einem BoredApe mit Preisen von über 85 ETH beläuft sich die Gebühr schnell auf mehrere tausend US-Dollar.
Die gerade fünf Jahre alte Plattform wird durch zahlreiche namhafte Venture-Capital-Firmen finanziert und ist laut der letzten Finanzierungsrunde über 13 Milliarden US-Dollar wert. Das OpenSea weiterhin ein Unternehmen in privaten Investorenhänden ist, dessen Management öffentlich über einen Börsengang nachdenkt, und bei dem gleichzeitig die Nutzer in keiner Weise an den Erträgen oder der Entwicklung der Plattform beteiligt werden, hat immer wieder zu großem Unmut geführt.
OpenSea gilt als die treibenden Kräft hinter dem enormen Wachstum des NFT-Markts im letzten Jahr, hat(te) eine goldene Zukunft vor sich und war bis vor wenigen Tagen dank starker Netzwerkeffekte keiner ernsthaften Konkurrenz ausgesetzt. Ein Team aus Entwicklern hat sich nun die Kritik an OpenSeas zum Anlass genommen und eine Web3-Attack gestartet. Das anonyme Entwicklerteam der NFT-Handelsplattform Looksrare.org hat dazu drei dem Web3 eigene Anreizmechanismen kombiniert, um schnell eine kritische Masse an Nutzern zu erreichen und die Netzwerkeffekte des Marktführers zu brechen.
Drei Anreize zum Wechsel
Im ersten Schritt wurde die Öffentlichkeit der Blockchain genutzt und alle Wallets ausfindig gemacht, die hohe Gebühren auf der OpenSea-Plattform gezahlt haben. Um diese offensichtlichen NFT-Enthusiasten und ihre digitalen Güter dann auf die eigene Plattform zu ziehen, hat Looksrare ihnen in einem AirDrop $Looks-Token im Verhältnis zu den auf OpenSea gezahlten Gebühren geboten, sofern sie mindestens ein NFT auf der Looksrare Handelsplattform zum Verkauf anbieten. Nachdem Nutzer ein NFT gelistet hatten, konnten sie die Token „abheben“ und dann jederzeit veräußern.
Im zweiten Schritt haben die Besitzer von $Looks-Token die Möglichkeit, an den Plattformgebühren direkt mitzuverdienen. Tokenholder können ihre Token auf der Plattform hinterlegen („staken“) und insbesondere in den ersten Wochen enorme Erträge in Form von neugeschaffenen $Looks-Token und Anteilen der Transaktionsgebühren in Ether erwirtschaften. Der Ertrag ist dabei abhängig vom Handelsvolumen auf der Plattform, so dass Tokenholder einen weiteren Anreiz haben, ihre NFTs auf der Plattform zu handeln und weitere Nutzer auf die Plattform zu ziehen.
Last but not least bietet Looksrare im dritten Schritt ein für alle NFT-Besitzer attraktives Gebührenmodell. Die Transaktionsgebühr selbst ist zunächst 20% günstiger als auf der OpenSea-Plattform. Zudem erhält jeder Nutzer $Looks-Token im Verhältnis zu den auf der Plattform gezahlten Gebühren. Der „kick-back“ von Plattform-Token an die Nutzer sorgt für „User-Ownership“ und gibt den aktivsten Nutzern langfristig große Mitbestimmungsrechte. Die erhalten Token können dann entweder weiterverkauft oder auf der Plattform gestaked werden, um auch von den Gebührenzahlungen anderer Nutzer zu profitieren.
Die Revolution frisst ihre Kinder
Mit diesem ausgeklüngelten Anreizssystem schafft es ein Emporkömmling, dem Marktführer innerhalb weniger Tage große Marktanteile abzunehmen und eigene Netzwerkeffekte zu schaffen, die das First-Mover-Advantage des Platzhirschs brechen könnten. Innerhalb weniger Tage erreichte Looksrare mit geringerem Funktionsumfang ein ähnliches Handelsvolumen wie der fünf Jahre alte Marktführer. Ob das Vorhaben von Looksrare am Ende langfristig erfolgreich sein wird, bleibt abzuwarten. Die ersten Tage liefen erfolgreich und das Gebührenmodell bietet den mit NFT Handelnden solch enorme Anreize, dass es kaum vorstellbar ist, dass die Plattform bei steigendem Funktionsumfang nicht zumindest große Marktanteile im NFT-Handel gewinnt. Durch den Vorgang wird aber schon jetzt deutlich, dass Plattformbetreiber nicht lange Monopolisten bleiben, wenn digitale Güter von Nutzern kontrolliert werden. Möglich wird dies durch die Portabilität aller Daten, denn die NFTs und andere Token sind Wallets und nicht Plattformen zugeordnet. Gleichzeitig ermöglichen Tokenomics ganz neue Belohnungssysteme, die es Nutzern gestatten, direkt an den durch sie geschaffenen Werten auf den Plattformen zu partizipieren und die damit auch finanzielles Interesse daran haben, die Regeln der Plattform mitzugestalten. Wie schon in den Anfängen von Web2.0 werden die Platzhirsche der ersten Generations von innovativen Konkurrenten verdrängt – das Tempo der Verdrängung ist dabei dank nativer Datenportabilität im blockchain-powered Web3 nur um ein Vielfaches höher und mit weniger Aufwand für jeden Nutzer verbunden.
Wer wäre heute denn noch bei Facebook, wenn wir Freundesliste, Urlaubsfotos und Likes mit wenigen Klicks auf eine Plattform umziehen könnten, die uns an den Werbeerlösen beteiligt?